Praxis für Kurzzeit- und Hypnotherapie
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Verhaltenstherapie

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Überblick über die Verhaltenstherapie

Verhaltenstherapie ist als Oberbegriff für einen Kanon an Therapieformen zu sehen, die alle ein lerntheoretisches Verständnis für die Genese und die Therapie von Störungen haben. Als geistige Wegbereiter sind daher verschiedene Ansätze der sog. Lerntheoretiker zu sehen, deren Hauptschaffensperiode in dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts liegt. Insbesondere zu nennen sind:

 

– Iwan P. Pawlow (1849-1936) und seine Arbeiten zur Klassischen Konditionierung, u.a. zur Entwicklung von experimentellen Neurosen.

 

– John B. Watson (1878-1958), Hauptvertreter des amerikanischen Behaviorismus, der durch die Versuche mit dem kleinen Albert einen Beleg für die Hypothese, dass Neurosen erlernt sind.

 

– Clark L. Hull (1884-1952), der in seiner Automatentheorie die Reiz-Reaktions-Schemata formalisiert hat.

 

– Burrhus F. Skinner (*1904) lieferte mit seinen Arbeiten zum operanten Konditionieren einen zentralen Grundstein der frühen Verhaltenstherapie. Als einziger dieser Lerntheoretiker hat er direkt an der Verbreitung und Entwicklung der VT mitgewirkt.

 

Die moderne Verhaltenstherapie entwickelte sich in den 40er und 50er Jahren des 20.Jahrhunderts. Vorreiter dieser Entwicklung waren dabei der in Südafrika arbeitende Joseph Wolpe (*1915), der am Londoner Maudsley-Hospital arbeitende Hans-Jürgen Eysenck (*1916) sowie der Amerikaner Burrhus F. Skinner.

 

Skinner dagegen präferierte die von ihm erforschten Methoden der operanten Konditionierung, deren Anwendung schwerpunktmäßig im Aufbau von erwünschten Verhaltensweisen liegt.

 

 

 

Gegenkonditionierung: Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, dass bereits in den 20er Jahren von Mary C. Jones angewendet wurde. Grundgedanke ist dabei, Angstzustände, die als Reaktion auf bestimmte Stimuli auftreten, als klassisch konditioniert anzusehen. Bei der Gegenkonditionierung wird nun dieser Stimuli mit einem angenehmen Reiz konditioniert, so dass der alte Konditionierungsvorgang überlagert wird. Eine Optimierung dieses Verfahrens ist möglich, wenn der angenehme Reiz (d.h. der neue unkonditionierte Stimulus) direkt den Angstzuständen entgegenwirkt. Zu diesem Zweck bietet sich insbesondere die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson an.

 

 

 

Die Systematische Desensibilisierung wurde von Joseph Wolpe in den 50er Jahren entwickelt und geht auf die beschriebenen Arbeiten zur Gegenkonditionierung zurück. Nach Erstellung einer Angsthierarchie wird der Klient schrittweise, ebenfalls unter Anwendung der Progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson, desensibilisiert. Die Reizkonfrontation erfolgt dabei klassischerweise nicht in vivo, sondern nur in der Vorstellung der Patienten. Verwendung findet das Verfahren z.B. bei Angststörungen und Neurosen. Das Verfahren ist nach Kriz gut evaluiert, allerdings herrscht keine Einigkeit bezüglich der Wirkungsweise.

 

– Token Programme: Auf der Basis der Prinzipien der operanten Konditionierung dienen solche Programme dazu, insbesondere in Kliniken bestimmte erwünschte Verhaltensweisen bei Patienten aufzubauen.

 

– Selbstkontrolle: Diese Verfahren betonen die Fähigkeit der Patienten, ihr eigenes Verhalten selbst zu steuern, basieren aber letztlich noch auf den Prinzipien des operanten Konditionierens. Beispiele dafür sind: Selbstverstärkung, Stimuluskontrolle und Selbstbeobachtung.

 

Die frühen Formen der Verhaltenstherapie basierten sehr stark auf lerntheoretischen Grundannahmen. In den 60er Jahren wurde diese Grundorientierung zunehmend kritisch beurteilt, zu sehr seien intentionale und andere kognitive Prozesse vernachlässigt worden .

 

Arnold Lazarus bezeichnete beispielsweise die therapeutischen Ansätze von Wolpe und Skinner als „simplizistisch, eng und eingeschränkt“ . Es entwickelten sich eklektischere Therapiekonzepte, die kognitive Elemente mit einbezogen:

 

– Die von Albert Bandura in den frühen 60er Jahren entwickelte sozial-kognitive Lerntheorie bildet die Basis für Therapiekonzepte, bei denen Ängste durch die Beobachtung von angstfreien Modellen abgebaut wird; besonderes erfolgreich sind dabei teilnehmende Modelle.

 

– Ebenfalls auf den Prinzipien des Modelllernes basieren Trainingsprogramme zur Erhöhung von sozialer Kompetenz. Kognitive Elemente enthalten auch Trainingsprogramme zur Verbesserung der individuellen Problemlösefähigkeit. Donald Meichenbaum betont in seinem kognitiv orientiert Ansatz die Rolle von unfunktionaler Selbstinstruktion bzw. -kommunikation. Jeweils ähnliche Techniken finden sich interessanterweise im Rahmen des Neurolinguistischen Programmierens (NLP).

 

– Analog Meichenbaums Ansatz argumentiert auch Aron T. Beck in seinem kognitiven Ansatz, dass 5 wesentliche Denkfehler in der Bewertung von Ereignissen potenziell zu emotionalen Störungen führen können. Therapie besteht in diesem Sinne darin, „den Patienten sensibler zu machen gegenüber seinen automatisch ablaufenden Gedanken und den dabei auftretenden selbstzerstörerischen Bewertungen und Denkfehlern.“

 

– Parallel zu den frühen, lerntheoretisch orientierten Formen der Verhaltenstheorie entwickelte Albert Ellis in den 50er Jahren seine Rational-emotive Therapie . Ellis betont die Rolle von dysfunktionalen Kognitionen, sog. irrational belief systems, für die Genese von Störungen des psychischen Wohlbefindens.

 

 

Reizkonfrontationsverfahren
Das Reizkonfrontationsverfahren existiert als ein feststehender Therapieplan sicherlich nicht. Es handelt sich auch hier um einen Sammelbegriff für Therapieformen, bei denen die ,,Aufhebung von Meidungsverhalten mit Abbau der negativen kognitiv-emotionalen Reaktionen auf bestimmte Situationen, Objekte, Problemfelder oder Personen“ angestrebt wird. Inhaltlich kann man die Reizkonfrontation als eine Weiterentwicklung der von Joseph Wolpe in den 50er Jahren entwickelten Systematischen Desensibilisierung (im Folgenden mit SD abgekürzt) betrachten. Die SD ist dabei in ihrer klassischen Form durch 3 Elemente charakterisiert:

 

Die Konfrontation mit den vom Patienten als aversiv erlebten Reizen erfolgt in der Regel nur in der Vorstellung (in sensu). Die Reizkonfrontation erfolgt schrittweise (graduiert). Anhand einer Angsthierarchie wird der Patient zuerst mit Situationen konfrontiert, die wenig Angst auslösen. Im Laufe der Therapie wird dann die ,,Schwierigkeit“ der Situation allmählich gesteigert, so dass die Konfrontation mit der angstauslösenden Realsituation erst am Schluss erfolgt. Zwischen den Phasen der Reizkonfrontation ist in der Regel eine Entspannungsphase eingeschaltet.

 

Die SD basiert wie oben erwähnt auf dem Prinzip der Gegenkonditionierung. Im Prinzip soll damit das Auftreten der aversiven Reaktion (Angst, aber auch Panik, Verlangen nach Suchtmitteln, etc.) unterbunden werden. Demgegenüber handelt es sich bei der Reizkonfrontation um ein Reaktions-Management-Training: Geübt werden soll der Umgang mit der Angst. Es zeigen sich folgende charakteristische Merkmale:

 

Die Konfrontation erfolgt in der Regel in der Realität (in vivo), d.h. der Patient wird der angstauslösenden Realsituation ausgesetzt. Die Reizkonfrontation erfolgt solange, bis ein deutlicher Abfall der Angst beim Patienten erfolgt. Ein völliges Verschwinden der Angst wird nicht angestrebt. Während der Reizkonfrontation soll jedes physische oder kognitive Vermeidungsverhalten eliminiert werden.

 

Therapieziele und Wirkmechanismen
Als Ziele einer Verhaltenstherapie können angesehen werden:

 

Reduktion der Symptomatik, d.h. Abnahme der Reaktionsstärke.
Handlungsfähigkeit und Selbstanalyse im Zustand hoher emotionaler Erregung (z.B. bei Panik) soll verbessert werden. Der Patient soll lernen, konstruktiv mit seiner Angst umzugehen, die auftretenden Gefühle sollen besser differenziert werden.
Aufbau neuer Verhaltensmuster. Anstelle der Vermeidungsreaktion soll ein konstruktiver Umgang mit der angstauslösenden Situation bzw. dem angstauslösenden Reiz erlernt werden. Intensivierung der Therapeut-Patienten-Beziehung im Sinne eines gemeinsamen Durchstehens von stark emotionalen Übungen.

 

Die Reizkonfrontation soll außerdem die Handlungsfähigkeit und die Selbstanalyse in der angstauslösenden Situation verbessern. Hierbei geht man davon aus, dass durch die Erfahrung, die Situation entgegen der eigenen Erwartung doch gemeistert zu haben, die Bewertung der eigenen Kompetenzen und die Wahrnehmung der realen Bedrohung in der Situation realistischer wird. In diesem Zusammenhang hat auch das massierte Vorgehen einen besonderen Stellenwert. Im Gegensatz zur SD lernt der Patient mit dem Auftreten der Angst oder Panik umzugehen. Er ist somit für häufig auftretende Rückfälle besser gewappnet und hat bessere Aussichten, trotz Rückfälle langfristig störungsfrei zu werden.

 

Wie bereits erwähnt handelt es sich bei der Reizkonfrontation primär um ein Reaktions-Management-Training. Die Reizüberflutung führt zu einer Reaktionsüberflutung, d.h. durch das Unterbinden der Vermeidungsreaktion (insbesondere Flucht) wird die Angst vom Patienten maximal erlebt. In dieser Situation kann dann der Umgang mit der Angst unter Anleitung des Therapeuten geübt werden.

 

 

Indikation und Kontraindikation

 

Positive Erfahrungen mit der Verhaltenstherapie gibt es bei der Behandlung folgender Störungen:

 

Angsterkrankungen
Panikattacken
Phobien, auch im Rahmen von sozialer Gehemmtheit
Zwänge
Depressionen
Essstörungen
Rückfallprophylaxe bei Suchtkrankheiten

 

Durchführung

 

Eine effektive Verhaltenstherapie läßt sich in 4 Phasen beschreiben:

 

Diagnostische Phase
Kognitive Vorbereitung
Intensivphase des Reizkonfrontation
Selbstkontrollphase

 

In der diagnostischen Phase findet das Erstgespräch, die Indikation (und ggf. Klassifikation) sowie eine Problem- bzw. Verhaltensanalyse statt. Es wird die Mitarbeit des Patienten bis zur individuellen Belastungsgrenze vereinbart. Als Therapieziel wird das Lernen des Umgangs mit der Angst (Depression, etc.) festgelegt.

 

Die Phase der kognitiven Vorbereitung bereitet die eigentliche Reizkonfrontation vor. Insbesondere wird hier ein (lerntheoretisch orientiertes) Störungs- bzw. Veränderungsmodell mit dem Patient zusammen entwickelt. Dabei ist die subjektive Sicht des Patienten immer mit zu berücksichtigen (z.B. Problem durch Gott gegeben, frühe Kindheitserfahrungen, etc.). Da man nicht davon ausgehen kann, dass der Patient hoch motiviert die Therapie beginnt, hängt die Akzeptanz des gesamten Verfahrens entscheidend von der Akzeptanz des Modells ab. Fiegenbaum empfehlen daher ein systemimmanentes Vorgehen.

 

Dadurch wird ein Modell entwickelt, dass folgende Eigenschaften besitzt:

 

Kompatibilität mit dem Konstruktsystem des Patienten;
nicht durch Einzelerfahrungen des Patienten zu falsifizieren (zu diesem Zweck bedient sich der Therapeut Wahrscheinlichkeitsaussagen oder lässt die Anwendbarkeit des Modells offen);
günstige Perspektive für Therapieerfolg (wenn möglich soll z.B. die Rolle der aktuellen Aufrechterhaltungsbedingungen betont werden, nicht so sehr die Entstehungsbedingungen (z.B. schwere Kindheit, impliziert langwierige Therapie));
hohe Plausibilität (z.B. sollte der Patient in die Modellkonstruktion miteinbezogen sein und das Modell möglichst sparsam entwickelt werden).

 

In der Intensivphase erfolgt eine direkte und längerdauernde Reizkonfrontation bis die Reaktion deutlich nachlässt. Damit insbesondere kognitives Vermeidungsverhalten unterbunden wird, sollte der Patient seine aktuelle Wahrnehmung (zumindestens am Anfang) laut verbalisieren. Hierzu ist häufig ein eigenständiges Training nötig.
Der Patient kann selbstverständlich jederzeit die Reizkonfrontation abbrechen. In diesem Fall wird der Abbruch vom Therapeuten begleitet und Konsequenzen diskutiert. Die Entscheidung zum Abbruch ist nicht prinzipiell schlecht, sollte aber bewusst getroffen werden.

 

 

1-3 mehrstündige Therapiesitzungen reichen i.d.R. für eine Besserung der Symptomatik aus. Nach Hand ist ein Tag Pause zwischen den Übungstagen sinnvoll. In dieser Pause erlebt der Patient häufig erste Depressionen, die ein Training für mögliche Rückfälle darstellen. Die Therapie ist so kein reines euphorisches Kurzzeit-erlebnis. Zu lange Behandlungen sind schon deswegen kritisch, weil die Reizkonfrontation zum Ersatzritual für das Symptom werden kann. Prinzipiell ist die Behandlung in vivo oder in sensu möglich, so dass situationsgebundene oder allgemeine Angstzustände behandelt werden können. Die In-vivo-Behandlung ist, wo durchführbar, der In-sensu-Behandlung vorzuziehen, da hier Vermeidungsverhalten kaum möglich ist. Der Behandlungserfolg ist bei der In-vivo-Konfrontation entsprechend höher. U.U. ist auch eine Konfrontation in vitro möglich, d.h. der Patient wird im Sprechzimmer Reizen ausgesetzt, die den echten Reizen ähneln. Idealerweise aber im erfolgt die Konfrontation im natürlichen Problemfeld, eine stationäre Behandlung ist in der Regel unsinnig. Bezugspersonen aus dem unmittelbaren Umfeld des Patienten können und müssen z.T. miteinbezogen werden. Am Ende der Intensivphase sollte der erreichte Fortschritt evaluiert werden. Dafür bieten sich Selbstratings oder halbstrukturierte Interviews an.

 

In der Selbstkontrollphase übt der Patient selbstständig weiter. Kontakte mit dem Therapeuten sollten jetzt in immer größeren Intervallen erfolgen. Wichtig bei der Vorbereitung der Selbstkontrollphase ist insbesondere, die Übungen und das Verhalten des Patienten genau zu planen (Was? Wann? Wo? Wie lange?).

 

Im Kanon der am Anfang vorgestellten Therapieformen nimmt die Reizkonfrontation eine zentrale Position ein. Für bestimmte Störungen (insbesondere Phobien, Angst- und Zwangsstörungen) „ist die Wirksamkeit der Reizkonfrontation erwiesen und kann als Methode der Wahl bezeichnet werden“.

 

In Langzeitstudien finden sich bei Angst- und Zwangsstörungen sehr hohe Erfolgsquoten von 60-80% bei geringer Ablehnung . Zu beachten ist dabei, dass eine stabile Verhaltensänderung nur zu erwarten ist, wenn auch kognitive und emotionale Änderungen eintreten. Eine wichtige Rolle spielt außerdem das eigenständige Weiterüben des Patienten nach der Therapie. Nach Fiegenbaum & Tuschen ist außerdem eine Symptomverschiebung kaum nachweisbar.

 

Die Anwendung dieses Verfahrens sollte auf Grund der potenziellen Risiken erfahreneren Therapeuten vorbehalten sein.

 

 

Zusammenfassung

 

Eine Verhaltenstherapie ist dann angezeigt, wenn Sie z. B. unter Depressionen, Angst oder Panik, mangelndem Selbstvertrauen oder fehlender Selbstsicherheit, Stress, einer Sucht oder Beziehungsproblemen leiden. Ebenso ist sie angezeigt, wenn Sie Schweres erlebt haben, dessen Verarbeitung Ihnen Mühe macht.

 

Jede Verhaltenstherapie zielt darauf ab, neue Einstellungen und Verhaltensweisen zu erarbeiten, die eine bessere Lebensqualität ermöglichen.

 

In der Verhaltenstherapie wird zwar auch auf „Ursachen“ in der Kindheit geschaut; es wird jedoch eher von einem lerngeschichtlichen Hintergrund ausgegangen. Aktuelle (Fehl)-Verhaltensweisen oder dysfunktionale Denkmuster stehen im Vordergrund.

 

Der Begriff Verhaltenstherapie wurde von Eysenck eingeführt und bezeichnet die Gesamtheit aller therapeutischer Verfahren, die auf eine Veränderung des gegenwärtigen Verhaltens abzielen. Im Gegensatz zur Psychoanalyse wird die Aufdeckung von unbewussten seelischen Konflikten eindeutig nicht zum Ziel erklärt.

 

Die Verhaltenstherapie ist ein Anwendungsbereich der Verhaltensforschung, deren Grundsätze auch als Lerntheorien (klassische und operante Konditionierung) bekannt geworden sind.

 

Im Mittelpunkt der Behandlung mit Verhaltenstherapie steht dabei die Modifikation des Verhaltens durch Prozesse wie Neulernen, Umlernen und Verlernen.