Burn Out
Chronischer Stress kann gefährlich werden. Viele Menschen halten die alltägliche Dauerbelastung nicht mehr aus und kollabieren. Burnout ist vor allem ein Problem der besonders Engagierten. Wer allerdings zu spät merkt, dass er seine Grenzen weit überschritten hat, hat ein Problem.
Die Lebensbedingungen in unserer modernen Gesellschaft und ihre Anforderungen und Ideale im Hinblick auf Verantwortung, Arbeitsleistung, Mobilität, Information und Kommunikation stellen immer mehr eine immense Herausforderung dar für die seelisch-geistige Gesundheit des einzelnen Menschen.
Diese Ideale und ihre Ausstrahlungsmacht, die von ihnen ausgeht, können leicht zu einer Überforderung an den Kräften der Menschen führen. Oft ist ein Zusammenbruch und damit verbundener Verlust der Lebensfähigkeit die Folge.
Oft haben die Betroffenen folgende vier UN-Dinge vermieden, deren Zusammenwirken unweigerlich Stress, Verunsicherung und schließlich den Burn Out bewirken können:
UN-Achtsamkeit
Das Übergehen von frühen Anzeichen von Stress und das nicht rechtzeitige Entgegensteuern.
UN-Möglichkeit
Das Fehlen von praktischen Möglichkeiten, eine Stressbelastung zu reduzieren, diese zu vermeiden oder gesund zu bewältigen.
UN- Denkbarkeit
Es sind belastende Überzeugungen, Ansprüche und Einstellungen sowie unrealistische Zielsetzungen vorhanden und gleichzeitig fehlen hilfreiche, stützende Gedanken, Ziele und Ideale.
UN-Erholung und Kraftlosigkeit
Fehlende Erholung von den alltäglichen Belastungen sowie wenig stützende Kontakte und zu wenig Möglichkeiten, sich von den Überforderungen zu regenerieren.
Burnout-Syndrom
Burnout-Syndrom ist der Name für das Phänomen, sich ständig abzumühen und den eigenen Ansprüchen dennoch nie gerecht zu werden.
Burnout gibt es schon lange. Es hieß nur nicht immer so, war nicht so verbreitet und wurde früher nicht groß diskutiert. Offen mit dem Thema umzugehen, ist ausgesprochen wichtig. Wenn sich keiner traut, Schwächen zu zeigen, steigt das Risiko, irgendwann zusammenzuklappen. Dabei ist es auch im Interesse der Arbeitgeber, dass es nicht soweit kommt. Denn bei einem akuten Burnout fällt nicht einfach nur ein Arbeitnehmer aus, sondern es betrifft vor allem die besonders Engagierten, die Dynamischen, Begeisterungsfähigen, Flexiblen.
Die Betroffenen verdrängen, welche Gefahren ihnen drohen. In gewisser Hinsicht ist das ein Teil des Problems: Sie beißen die Zähne zusammen und machen weiter wie zuvor.
Ursache der Überforderung
Um das Problem auf einer tieferen Ebene anzugehen, muss geklärt werden, was die eigentliche Ursache der Überforderung ist
Burnout ist immer ein System, bei dem innere und äußere Entwicklungen zusammenwirken. Langfristig lässt sich nur etwas gegen die Überforderung tun, wenn man nach den inneren Ursachen fragt: „Warum sagt jemand immer wieder „Ja“, obwohl er Feierabend machen müsste?“ Die Angst, andere zu enttäuschen, stecke oft dahinter – oder der starke Wunsch, Karriere zu machen.
Ausgeprägtes Perfektionsstreben erhöht die Burnout-Gefahr. Wer immer alles ganz richtig machen will, der muss fast zwangsläufig häufiger das Gefühl haben, das nicht zu schaffen.“ Und gerade auf unsichere Persönlichkeiten, bei denen die Burnout-Gefahr erhöht ist, könne das dann Druck ausüben.
Der Weg zum Burnout
Ein Burnout-Syndrom ist nur die letzte Phase einer Entwicklung, die sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen kann. Es ist ein Tief, in das man sich lange hineingearbeitet hat. Der Weg zum Burnout kann unterschiedlich verlaufen. Es lassen sich aber Phasen unterscheiden, die typisch sind.
• Phase 1: Der Erfolg befeuert den Leistungswillen
Ganz am Anfang steht der Erfolg: Die Karriere kommt voran, Partner und Vorgesetzte reagieren positiv. Die eigene Leistungsbereitschaft zahlt sich aus. Es stellt sich das Gefühl ein „Ich habe es geschafft!“. Für Regeneration oder Entschleunigung ist keine Zeit und scheinbar kein Bedarf.
• Phase 2: Der Stress macht sich erstmals bemerkbar
Die Energiereserven werden verbraucht, der „Akku“ nicht wieder aufgeladen. Schleichend beginnt die Tiefenerschöpfung. Stress macht sich in Rückenschmerzen, Schlafproblemen oder Muskelverspannungen bemerkbar. Der Spaß an der Arbeit lässt nach, das eigene Perfektionsstreben nicht. Die Erwartungen an sich selbst werden dadurch immer weniger realistisch.
• Phase 3: Härte gegen sich selbst soll die alte Leistung wiederbringen
Versuche scheitern, dem Stress mit mehr Sport oder gesünderem Essen beizukommen. Der innere Druck steigt. Noch mehr Härte gegen sich selbst soll dann helfen, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Ratschläge von Freunden und Kollegen, doch kürzer zu treten, werden als Kritik empfunden und abgelehnt. Die Devise lautet „Augen zu und durch!“.
• Phase 4: Das Tempo nimmt noch einmal zu
Ohne entsprechende Korrektur der Entwicklung nimmt das Tempo im Hamsterrad noch einmal zu. Der Betroffene arbeitet noch länger, übernimmt noch mehr Projekte, nimmt Arbeit mit nach Hause. Er mobilisiert die letzten Energiereserven, doch seine Konzentration lässt bereits nach. Er macht immer häufiger Fehler, die ihm früher nicht passiert wären. Seine Versagensängste nehmen zu, sein Selbstwertgefühl sinkt. Erschöpfungssymptome wie Herzrasen, Schlafprobleme oder Tinnitus können die Folge sein.
• Phase 5: Psyche und Körper machen nicht mehr mit
Der Endpunkt ist das Burnout-Syndrom. Die Leistungsfähigkeit bricht zusammen. Die Arbeitsfähigkeit kann für Monate eingeschränkt sein. Oft ist eine Behandlung im Krankenhaus unverzichtbar. Psychopharmaka können die Symptome meistens schnell behandeln. Aber die Muster, die zum Zusammenbruch geführt haben, sind damit noch nicht überwunden. Die Patienten fühlen sich häufig „wie gelähmt“. Depressionen und Suizidgefährdung sind nicht auszuschließen.
Das Risiko verringern
Achtsamkeit kann im Alltag helfen, einem Burnout vorzubeugen. Der Begriff steht im Mittelpunkt einer Methode zur Stressbewältigung, die in den vergangenen Jahren viel an Aufmerksamkeit gewonnen hat. „Mindfulness Based Stress Reduction“ heißt sie auf Englisch, also achtsamkeitsbasierte Stressbewältigung.
Das Gegenteil von Achtsamkeit ist das komplette Absorbiertsein in der Arbeit. Achtsamkeit bedeutet, die Aufmerksamkeit bewusst auf das Gegenwärtige zu richten. Das heißt, dass man lernt, sehr bewusst darauf zu achten, was man tut. Das gilt zum Beispiel auch für bewusstes Atmen oder bewusstes Essen. Man kann üben, genau zu schmecken, was man im Mund hat. Grundsätzlich lässt sich praktisch alles mit Achtsamkeit tun: Man kann auch achtsam duschen oder Teelöffel spülen. Entscheidend sei nicht, in bestimmten Situationen besonders achtsam zu sein, sondern „Achtsamkeit als Gewohnheit“ zu entwickeln.
In entsprechenden Stressbewältigungs-Kursen lasse sich das schrittweise erreichen. Die Übungen lehnen sich unter anderem an Yoga und klassische Meditation an. Das können Stille- oder Gehmeditationen sein. Achtsamkeit ist ein wichtiger Aspekt im Buddhismus. In der Regel hilft die Teilnahme an einem Kurs bereits, Stress zu verringern. Die Veränderungen lassen sich an den Gehirnaktivitäten ablesen.
Idealerweise wird Achtsamkeit bereits geübt, bevor der Stress und die Burnout-Gefährdung zu groß werden.
Das Problem ist gerade, dass die Stressbewältigung meistens dann gebraucht wird, wenn man glaubt, keine Zeit dafür zu haben.
Auch das müssen Burnout-Gefährdete lernen: Wenn man wirklich will, hat man auch Zeit. Voraussetzung sei aber in jedem Fall die Einsicht in die eigene Gefährdung. Wenn die nicht da ist, wird es schwierig, etwas an seiner inneren Haltung zu ändern.
Für Freizeit kämpfen
Burnout-Gefährdung hat oft mit stressigen Arbeitsbedingungen zu tun. Und die gibt es nach Einschätzung von Experten heute häufiger als noch vor zehn Jahren. Das Problem hat sich verschärft. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verwischen immer mehr. Viele müssen ständig per Handy erreichbar sein. Wer kaum noch Freizeit hat, habe aber auch keine Gelegenheit, Kraft zu schöpfen. „Das kommt oft zu kurz, und irgendwann streikt dann die Psyche.
Aus dem chronischen Stress könne sich dann ein Burnout-Syndrom entwickeln. Nicht der Stress selbst ist das Problem, sondern der Verlust der Erholungsfähigkeit. Deswegen seien Phasen, in denen alles Berufliche zurücksteht, auch so wichtig.
Wie gut der Einzelne mit solchen Erfahrungen umgeht, ist auch eine Frage der Perspektive. Ganz falsch ist es zu sagen: „Wer Burnout hat, ist selbst schuld“.“ Falsch sei aber auch, sich als Betroffener nur als Opfer zu sehen – und sich dadurch hilflos zu fühlen. Man ist schließlich auch ein Gestalter seiner Arbeit.
Wichtig sei deshalb, rechtzeitig Grenzen zu ziehen – zum Beispiel bei der Wochenarbeitszeit. „Downshifting“ lautet das Stichwort – Herunterfahren bei den Arbeiten, die an die Nerven gehen. Und man muss Zeiten fürs Private blocken. Wer das nicht tut und einfach darauf hofft, sich für private Interessen dann Zeit nehmen zu können, wenn beruflich mal nichts anliegt, kommt häufig nie mehr dazu. Das Berufliche erobert schließlich immer mehr Freiräume.
• Die beste Prävention gegen die Ausbildung eines Burnout-Syndroms ist eine funktionierende soziale Unterstützung im Job. Wer dort Freunde und Kollegen hat, die einem unter die Arme greifen, wenn es stressig wird, kann manches wegstecken, was andere umwirft.